Mein Pfingsten

Nein, ich mache jetzt nicht den Fehler und erkläre umständlich, was Pfingsten ist. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich es selber richtig verstanden habe. Man kann es ja auch selbst googeln. Dann wird man lesen, dass Pfingsten historisch der 50. Tag nach Ostern ist, an dem der Apostel Petrus in der Kraft des Heiligen Geistes eine feurige Predigt hielt, woraufhin sich dreitausend Menschen taufen ließen und die Kirche entstand. So weit die Historie.

Was ich erstaunlich finde ist, dass wir in unserer ständig säkularer werdenden Gesellschaft diesen „Geburtstag der Kirche“ bzw. die „Ausgießung des Heiligen Geistes“ immer noch feiern, sogar mit zwei gesetzlichen Feiertagen. Und dass uns beispielsweise die Märkische Allgemeine dafür eine halbe Druckseite zur Verfügung stellt! Offenbar mit der Erwartung, dass wir nicht nur altes kirchliches Brauchtum erklären, sondern bewusst machen, dass Pfingsten ein Thema, einen Gegenstand hat, der alle angeht. Und deshalb erzähle ich jetzt auch nicht, wofür die Kirche gut ist, sondern wie und wann und wo ich den Heiligen Geist, den holy spirit erlebt habe, persönlich, gesellschaftlich, in der Kirche.

Erstes Beispiel: Frühjahr 1988, ein Wehrkreiskommando der NVA. Ein Stasi-Offizier in zivil und sehr kultiviert musterte mich für den Wehrdienst. Er sagte: „Herr Schmidt, ich sehe, dass Sie ein vernünftiger junger Mann sind. Unsere Republik braucht Leute wie Sie, um auf die Moral der Truppe positiv Einfluss zu nehmen.“ Ich habe damals nicht realisiert, was er wollte und kann es nur dem Heiligen Geist zuschreiben, dass er mir die rettenden Worte in den Mund legte. Noch heute höre ich mich sagen: „Ich verstehe, was Sie meinen, aber ich werde nichts unterschreiben.“

Zweites Beispiel: 9. November 1989, 19.00 Uhr, HEUTE-Nachrichten im ZDF. SED-Pressesprecher Günter Schabowski kündigt auf einer internationalen Pressekonferenz eine Öffnung der Grenze an. Auf die Frage eines italienischen Reporters, wann das sei, stottert er: „ab sofort, unverzüglich.“ Der Rest ist bekannt. Ich deute das so: Ein guter Geist hatte einen ahnungslosen Menschen erfasst und ihm buchstäblich befreiende Worte in den Mund gelegt.

Auch in der Kirche ist der Heilige Geist gelegentlich anzutreffen. Das dritte Beispiel. September 2022 in Brieselang. Die havelländischen Kirchenkreise Nauen-Rathenow und Falkensee feiern zusammen Havelländischen Kirchentag. Bischof Stäblein predigt über HVL und löst das Kürzel so auf: „Holla viel Land“. Das wird zum Running Gag auf dem Kirchentag, macht gute Stimmung und schweißt zusammen. Fremde Menschen grüßen sich mit „Holla viel Land“.

Gewiss, drei sehr unterschiedliche Szenen. Doch für mich drei Beispiele dafür, wie ein guter Geist Menschen ergreift, durch Menschen spricht, durch Menschen wirkt, rettet, befreit, zusammenführt. Wer will, kann im eigenen Leben und in der Geschichte weitere Beispiele dafür finden.

Wie gesagt, ich weiß nicht, ob ich das mit Pfingsten und dem holy spirit selbst schon ganz verstanden habe, doch eins habe ich verstanden, dass dieser Spirit der Geist von Jesus Christus ist, den er uns hinterlassen hat und der uns inspiriert, ein Geist des Friedens, der Freiheit und der Nächstenliebe, und dass dieser Geist die Welt regiert. Darauf hoffe ich – gegen allen Augenschein. Und finde, dass wir das ruhig zusammen feiern können, Gläubige und Nichtgläubige, alle.

Pfarrer Dr. Bernhard Schmidt, Vorsitzender der Kollegialen Leitung des Kirchenkreises Falkensee

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