Jahreslosung 2024 „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen“ (1Korinther 16,14)
„Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.“ Wie naiv ist das denn, denke ich. Wenn es mal so einfach wäre: Ich bin lieb, und dann sind alle anderen auch lieb? Das hat doch schon bei Jesus nicht funktioniert. Und der Apostel Paulus hätte es eigentlich auch besser wissen müssen. Er, der große Botschafter der Nächstenliebe („Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete, und hätte der Liebe nicht…“) hat selbst nicht viel Gegenliebe erfahren, sondern im Gegenteil, viel Anfeindung, viel Häme, viele Schläge etc. Man lese 2Kor 11,23ff.
Aber ich glaube, er meint hier auch etwas anderes. Es geht darum, wovon wir uns leiten lassen bei unseren alltäglichen Entscheidungen, bei beruflichen Weichenstellungen, bei der Erziehung der Kinder, bei Wahlen, ja sogar beim Einkaufen. Wie kann ich so handeln, wie kann ich mich so entscheiden, dass ich hinterher noch in den Spiegel schauen kann, und dass ich – auch wenn ich nicht auf Gegenliebe stoße oder wenn sich meine Entscheidung im Nachhinein sogar als falsch herausstellen sollte – sagen kann: Ich habe aus gutem Grund so und so entschieden. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.
Es ist die Frage nach dem Maßstab für meine Entscheidungen. Der Philosoph Immanuel Kant, dessen 300. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen, hat den berühmten Kategorischen Imperativ formuliert: Handle stets so, dass die Maxime deines Willens zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung dienen könne. Das bedeutet, bei meinen Entscheidungen immer die Folgen für die anderen abzuschätzen. Das kann ich bei beruflichen Weichenstellungen tun, genauso wie bei der Erziehung oder beim Wahlgang oder beim Einkaufen. Vielleicht hat sich Kant hier auch vom Apostel Paulus inspirieren lassen, der es etwas pastoraler sagt: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.“ Auf jeden Fall ein guter Wahlspruch für das Jahr 2024!
Ihr Pfarrer Bernhard Schmidt