Keine Gottesdienste zu Ostern? Eine Stellungnahme von Pfarrer Dr. Bernhard Schmidt

In den letzten Tagen wurde ich vermehrt gefragt, ob wir unsere Gottes­dienste, gerade an den hohen kirchlichen Feiertagen Karfreitag und Ostern, nicht zu leichtfertig und staatstreu abgesagt hätten. Ich verstehe diese Frage und stelle sie mir auch. Und ganz ehrlich, mir imponiert die katho­lische Gemeinde in Berlin, die jetzt gegen die staatlichen Anord­nungen Klage eingereicht hat.

Trotzdem stimmt es nicht, dass keine Gottesdienste stattfinden. Im Fernsehen sind wir präsenter als sonst, der RBB bringt jetzt jeden Sonntag nach Ende des ZDF-Fernsehgottesdienstes um 10.15 Uhr einen eigenen Gottesdienst aus der Region unter dem Motto „RBB macht Gottes­dienst“. Im Internet sind wir so aktiv wie noch nie. Viele Gemeinden, auch in unserem Kirchenkreis, bieten Online-Gottes­dienste an, manche sogar live im Livestream, manche nutzen die social-media.

Es zeigt sich, dass es gut war, dass wir vor einigen Jahren diskutiert haben, welche Formen von Gemeinde das theologische Attribut „Kirche“ verdient haben und dieses z. B. auch Fernsehgottesdienstgemeinden zugesprochen haben. Ja, auch wenn wir uns z. Zt. nicht physisch, sondern nur virtuell treffen, sind wir die Gemeinde Jesu Christi, die im Namen des dreieinigen Gottes Gottesdienst hält.

Nach dem Augsburger Bekenntnis Art. 7 ist Kirche „die Versamm­lung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden.“ Wort und Sakrament machen die Kirche aus. Das Wort genauso wie das Sakrament. Bezogen auf den Gottesdienst heißt das: so wie es Abendmahlsfeiern geben kann ohne Wortverkündigung, so kann es (vorübergehend) auch Wortgottes­dienste ohne Abendmahls­feier geben.

Auch der sog. Wortgottesdienst ist nach evangelischem Verständnis voll­wer­tiger Gottesdienst. Martin Luther schrieb, dass „in allen Gottes­diensten das größte und vor­nehmste Stück ist Gottes Wort predigen und lehren.“ In der Schrift „Deutsche Messe“ forderte er drei Sonntagsgottes­dienste, davon zwei Predigtgottesdienste und eine Messe. Auch Karl Barth sprach im 20. Jhd. von der „Sakramen­ta­lität der Predigt“. Das muss sich jetzt bewähren.

Gleichwohl ist uns bewusst, dass der gegen­wärtige Zustand vor­über­­gehend ist und vorübergehen muss, und dass es in begrün­deten Einzelfällen, z. B. bei Sterbenden auch jetzt Abendmahls­feiern geben kann und muss. Und dass wir prüfen müssen, wie wir als Kirche Alten, Kranken und Sterbenden nahe sein können, auch wenn das Kon­takt­verbot gilt. Hier werden wir unser Konsistorium bitten, mit den entsprechenden staatlichen Stellen zu verhandeln.

Meine Bitte an alle Glieder unserer Kirche und darüber hinaus: Nutzen Sie die digitalen und alle anderen Angebote unserer Gemein­den an den hohen Feiertagen, erkundigen Sie sich in Ihren Pfarr­ämtern, welche Kirchen zur stillen Andacht geöffnet sind, infor­mieren Sie sich über die bestehenden Angebote und weisen Sie auch andere darauf hin. Und ver­sammeln Sie sich zahlreich als geistliche oder virtuelle Gemeinde Jesu Christi zur Ehre seines Todes und seiner Auferstehung. Gott segne und behüte Sie!

Ihr Bernhard Schmidt

3 Kommentare zu “Keine Gottesdienste zu Ostern? Eine Stellungnahme von Pfarrer Dr. Bernhard Schmidt

  1. Danke für die Stellungnahme, die informiert und Haltung zeigt!
    Ich akzeptiere – wie die große Mehrheit – die Maßnahmen grundsätzlich, bin aber der Meinung, dass die Kirchen für die Gottesdienste, speziell zu Ostern, dem ältesten und wichtigsten Fest der Christen und unseres Glaubens, deshalb nicht geschlossen bleiben sollten. Das gab es sehr wahrscheinlich in über 2000 Jahren noch gar nie und ist mit den (durchaus nötigen) Maßnahmen nicht zu rechtfertigen.
    Einerseits ist klar, dass die Solidarität wichtig ist, wir wissen alle, worum es geht. Ich freue mich über vermehrte Online-Angebote, über neue Entdeckungen, über “geistliche Worte” u.v.m. Es wird viel gemacht, und vieles geschieht nicht unter den Augen der Öffentlichkeit, danke dafür!

    Andererseits mehren sich die Stimmen deutlich, auch gewichtige Stimmen, die auf die Aufgabe der Kirche gerade in Notzeiten hinweisen, Seelsorge, Verkündigung, Zuwendung. Und die die Schließung der Kirchen für Gottesdienste kritisieren. Jüngst meldete sich z.B. der bekannte Staatsrechtler Horst Dreier (“Staat ohne Gott”) dazu (epd).

    “Online” ist jetzt offenbar dran, kann aber Gottesdienste nicht ersetzen, zumal viele Ältere das Internet nicht auf diese Weise nutzen (können).
    Ich bin wie andere überzeugt, dass Gottesdienste im Prinzip auch unter Wahrung aller Sicherheitsregeln möglich wären. Unsere Kirchen sind nicht so voll, dass Enge entstehen müsste. Man könnte auf einfachem Wege Sicherheitsvorkehrungen treffen, dass die Menschen in ausreichendem Abstand in die Kirche gehen und sie wieder verlassen. Oder/und mehrere Gottesdienste anbieten. In den Kirchen könnte man die Sitzgelegenheiten markieren – oder die Räume, die frei bleiben müssen. Selbstverständlich würden die Anwesenden notiert.

    Ich hätte mir gewünscht, dass die Kirche menschenzugewandt und sensibel für die Lage, aber eben auch selbstbewusst und ihres Auftrags bewusst Ostern feiert.

    • 1,8 Millionen Menschen sind weltweit infiziert
      125.000 in Deutschland
      2700 Tote

      Nächstenliebe zeigt sich nicht nur in der Zuwendung, sondern manchmal auch im Verzicht.
      Wenn Christen ihren Glauben ernst nehmen, brauchen sie keine Kirchengebäude, sondern singen, beten und lesen die Bibel auch zu Hause.

      Wer zur Risikogruppe gehört, wäre niemals so vermessen, die jetzigen Entscheidungen zu kritisieren.

  2. Ein Interview von epd mit Bischof Dr. Christian Stäblein: Gibt es Parallelen zwischen der gegenwärtigen Corona-Krise und der Botschaft des Osterfestes?

    Bischof Stäblein: “Darauf würde ich so erst einmal nicht kommen. In der Corona-Krise geht es um Leben und Tod. Sowie beim Osterfest auch, aber dort geht es um die umgekehrte Reihenfolge, nämlich Sterben und Leben. Das ist Gottes Botschaft am Osterfest, dass er die Reihenfolge dieser Welt und den Kreislauf von Leben und Sterben durchbricht und einen neuen Anfang setzt. Dass in diesen Tagen in Erinnerung zu rufen, ist eine Herausforderung. Es kann ja jetzt nicht darum gehen, vollmundig über die Lebensrealität hinwegzureden. ‘Ostern ist stärker’, sagt sich leicht. Aber wir sind in unsere Realität gerufen – mit den Krankenbetten und dem Tod, den wirtschaftlichen Existenzängsten und allem, was zur aktuellen Krise gehört. Trotzdem dürfen wir an dieser Zusage Gottes festhalten, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

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